Zeitenwende im Forst?

Klimawandel und Trockenheit setzen Fichten zu

Bild: Stark geschädigter Fichtenforst

In den vergangenen Jahren haben die Waldbrände in Kiefernforsten für bundesweite Aufmerksamkeit gesorgt. Doch das ist nicht das einzige Problem, mit dem die Forstwirtschaft zu kämpfen hat. Neben Sturmschäden und Feuer macht dem Wald auch Insektenfraß zu schaffen. Vor allem Borkenkäfer richtengroße Schäden an. Laut Bundeslandwirtschaftsministerium sind 2018 rund 32 Millionen Kubikmeter Schadholz angefallen. Das ist fast die Hälfte des in Deutschland üblichen normalen Holzeinschlags. Das bereits hohe Stressniveau und Vorschädigungen können dazuführen, dass der Befall 2019 sogar nochhöher ausfällt.

 

Hausgemachte Probleme

Dass von den Bränden und den Insekten vor allem Kiefern und Fichten betroffen sind, ist kein Zufall. Und bei allem Verständnis für die daraus folgenden wirtschaftlichen Nöte der Waldbesitzer muss man feststellen: Die jetzigen Probleme sind weitgehend hausgemacht. Monotone, naturferne Nadel-holzforste sind wesentlich anfälliger als naturnahe Laubmischwälder. Die Fichte gehört zum natürlichen Baumartenspektrum in Deutschland. Allerdings kommt sie von Natur aus nur in den höheren Lagen der Mittelgebirgeund in den Alpen vor. Auf Grund der Nutzungsgeschichte und der ökonomischen Interessen von Forst- und Holzindustrie hat die Fichte heute einen völlig überhöhten Waldanteil von 25 Prozent.

 

Douglasien sind keine Lösung

Dürre und Hitze fördern den Borkenkäfer-Befall. Zudem haben durch Stürme vorgeschädigte Wälder den Insekten weniger entgegenzusetzen. Jetzt gilt es, aus den Fehlern dervergangenen Jahrzehnte zu lernen. Gerade im öffentlichen Wald dürfen wirtschaftliche Interessen nicht das Maß der Dinge sein. Kurzfristige Lösungen gibt es nicht. Mittel- bis langfristig hilft nur der Umbau hinzu Laub- und Mischwäldern. Der Trend der Forstwirtschaft, Fichten durch amerikanische Douglasien und andere schnellwachsende Nadelbaumarten zu ersetzen, verhindert dagegen die Entwicklung naturnaher Waldstrukturen. Hier würden alte Fehler durch neue Fehler ersetzt. Das heißt auch, dass staatliche Hilfe für Waldbesitzer an klare ökologische Bedingungen geknüpft werden müssen.

 

Die Eichen warten schon

Erste Schritte in diese Richtung geht man nun in Rheinland-Pfalz. „Mischwälder erweisen sich im Klimawandel als besonders anpassungsfähig und bieten Gewähr für die Erhaltung der Wälder und ihrer vielfältigen Funktionen, insbesondere der Artenvielfalt“, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung von Land, Waldbesitzern und Umweltverbänden.

 

Kommunen und Privatbesitzer verpflichten sich, den Wald durch eine nachhaltige Forstwirtschaft anpassungsfähiger zu machen. Der NABU wird darauf achten, dass Nachhaltigkeit hier nicht nur in Festmetern Holz gemessen wird. Die Fichte hat jedenfalls in den niedrigen Lagen keine Zukunft mehr, Buchen und Eichen werden an ihre Stelle treten.

 

Von der Katastrophe zur Vielfalt

Dass der Wald sich selbst von flächendeckendem Borkenkäferbefall rasch erholen kann, zeigen die Erfahrungen in den Nationalparks Bayerischer Wald und Harz. In Bayern hatte man schon ab den 1970 ern mit tausenden Hektar toter Fichten zu tun, im Harz wütet der Borkenkäfer aktuell, 2018 waren mindestens 800 Hektar betroffen. Was folgt – bei absolutem Nichtstun des Menschen – ist eine rasche Verjüngung des Waldes, bei der die Fichten-Reinbestände durch eine bunte Baumvielfalt von Eberesche und Zitterpappel bis Buche und Eiche ersetzt wird. Für Anwohner und Urlauber ist der Anblick der dahinsterbenden Fichten zunächst ein Schock. Je mehr der neue Naturwald nachwächst, desto größer wird aber die Akzeptanz für das Zulassen der scheinbaren Katastrophe. Die Tierwelt reagiert ohnehin rasch. Am vom Borkenkäfer besonders betroffenen Achtermann-Gipfel im Harz konnte der NABU bereits 50 Prozent mehr Vogelarten feststellen.

„In Sturmes Nacht sank des Waldes Pracht. Willst Du den Wald bestimmt vernichten, so pflanze nichts als reine Fichten.“
(Diese bittere Erkenntnis ist fast hundert Jahre alt. 1921 ließ sie das Forstamt Breitenthal nach einem verheerenden Sturm in Stein meißeln.)